Archiv für Sammlung bisherige Neuzugänge

 
 

Gamser Kirche

„Wie die Gamser Kirche zu Ihrem Grundstück kam“: (Auszug aus „Ein familiengeschichtlicher Rückblick“ von Theo Schöb-Bauer)

Urgrossvater Michael Anton Schöb wurde am 7. September 1814 in Gams geboren und …. ist im Band 1 der Gamser Bürgerregister eingetragen. Seine Vorfahren befinden sich nicht in den Registern, weil vorher die Geburten nur beim Pfarramt, in die sogenannten Kirchenbücher, eingetragen wurden. In Gams war er Mesmer und führte einen kleinen Bauernbetrieb. Er verehelichte sich … 1835 mit Elisabetha Kaiser aus Gams. …. Aus dieser Ehe sind sieben Kinder, drei Knaben und vier Mädchen, hervorgegangen. …

Neben seiner Tätigkeit als Mesmer und Landwirt fertigte Urgrossvater dank seiner handwerklichen Begabung unter anderem auch Schlitten an. Darum auch das nicht zutreffende Gerücht, er sei Wagner gewesen.

… 1860 wurde die ganze neunköpfige Familie von einem harten gemeindepolitischen Entscheid getroffen. Urgrossvaters Bauerngütlein samt Wohnhaus stand auf dem schönsten Platz der Gemeinde Gams. Und weil man eine neue Kirche bauen wollte, sollte sie auch den schönsten Platz im Dorf erhalten. Da gab es kein Wehren und keine Einsprache: in einem amtlichen Enteignungsverfahren musste Michael Anton Schöb Haus und Hof, Grund und Boden für den Kirchenbau abtreten.

Verärgert liess er sich auch vom verheissenen Segen Gottes nicht trösten, schüttelte noch im gleichen Jahr den Gamser Staub von den Füssen, verliess sein geliebtes Dorf und zog grollend mit seiner ganzen Familie und der beweglichen Habe von dannen, um sich in Dieselbach, Gemeinde Mogelsberg, Untertoggenburg, niederzulassen, wo er ein grösseres Heimwesen erworben hatte. Hier versuchte Urgrossvater Schöb mit seiner Frau eine neue Existenz aufzubauen, wobei auch ihre sieben Kinder tatkräftig mitzuhelfen hatten.

… Das jüngste Kind, Markus Anton, war damals 11 Jahre alt. Nachdem er sich schon in Gams als Hirtenknabe auf den nahen Alpen nützlich gemacht hatte, legte er auch in Dieselbach gerne und kräftig Hand an und hatte unter anderem auch die Milch in die Käserei, in die „Hütte“, zu bringen. Für die Mass Milch (1 1/2 Liter) gab’s 11 Rappen.

Versteigerung der Schulhausgülle

Versteigerung Gülle 1882

Versteigerung Gülle 1882

Grabser Schuleinrichtung

 
Episode 16 – „Schule : (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Jeden Tag wurde zum Anfang und zum Schluss ein Gebet gesprochen. Dies lernten wir von den Drittklässlern, die mit uns im gleichen Schulzimmer und vom gleichen Lehrer unterrichtet wurden.

Wir schrieben mit dünnen Griffeln auf Schiefertafeln. Später bekamen wir Holzgriffel, ähnlich wir Farbstifte, einfach mit einer Griffelmine.

Im Sommer hatten wir nur am Vormittag Schule, nachmittags gab es für die meisten Kinder zu Hause Arbeit. Dafür mussten wir auch am Samstagvormittag in die Schule.

Hausaufgaben kannten wir nicht, auch Prüfungen gab es noch keine, vielleicht in der dritten Klasse mal ein Diktat.

Im Sommer 1952 wurde das neue Schulhaus im Feld mit einem Umzug und Fest eingeweiht. Das alte Schulhaus wurde abgebrochen und an seiner Stelle die Molkerei Grabs gebaut.

Nun wurde also das Schulhaus Feld bezogen. Helle Räume mit grossen Fenstern, neue Pulte und höhenverstellbare Stühle, dazu eine grosse ebenfalls höhenverstellbare Wandtafel, welch ein Luxus! Im alten Schulhaus sassen wir noch in Viererbänken, die unten mit den Pulten starr verbunden waren.

Umzug Einweihung Schulhaus Feld

Umzug Einweihung Schulhaus Feld

Chörbliwasser

Episode 15- „Chörbliwasser“: (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Im Garten wuchs auch das Kerbelkraut, aus dem im Frühsommer in den Brennereien Kerbelwasser gebrannt wurde. „Chörbliwasser“ ist ein altbewährtes Heilmittel, das man für allerlei Wehwehchen anwenden kann.

S’Chörbliwasser
Wenn’s di ufem Maage tuät trugge,
und es zwiggt di gad onò ufem Rugge,
häsch e òffes Bei, oder sus ötschwo e Wunne,
vilicht sogär dr Chopf iibunne,
churzum, es chò dr weäh tòä wo’s dr will
un Medizin vum Tòggter nützt o numme vil,
denn muescht gär nid lòng ummepfuttere,
griefsch sofort zur Chörbliwasser-Guttere.
Nimmscht allpòtt en waggere Schlugg dervu,
un scho glii wört’s dr wieder besser gu.
Chörbliwasser brennt mä us Chrutt wo so guet schmeggt,
as eim wieder alli Lebesgeischter weggt.
Mä tarsch uni wittersch o de Goofe gih,
s’ischt nämli gär ken Alkohol dri.
Jetz frögen d’Lüt sicher gònz gwunnerig
wo mä echt das Wasser überchöm, das bsunnerig.
S’ischt nid schwär, das Örtli z’finne,
am Grabserberg lit’s, eäner echli hinne.
Unnerwies heisst’s, en Huffe Lüt wüssen das,
döt git’s Chörbliwasser, wenn wotsch ä gònzes Fass.

(Aus der Liederkassette des Grabser Schüler-Chors, von Anni Gantenbein, Matnän, Grabserberg)

Anmerkung zum Chörblichruut: Chörbliwasser ist eine destillierte, alkoholfreie Flüssigkeit, die aus Wasser und frischer Süssdolde hergestellt wird. Seinen Namen hat das Chörbliwasser vom Kerbelkraut (“Chörblichruut“). Das Chörblichrut wurde in den Gärten gepflanzt und konnte über den Sommer zwei Mal geschnitten werden. Es wurde in die Brennereien gebracht, dort verarbeitet und das fertige Heilwasser in Korbflaschen abgefüllt. Das Chörbliwasser mit seinem starken Anisgeschmack war DAS Hausmittel in der Gegend und gegen vielerlei Gebresten verwendet.

Landwirtschaft in den 50er Jahren

Episode 14- „Unsere Arbeiten um 1950“: (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Als wir grösser waren, hiess es für uns bei den anfallenden Arbeiten mithelfen.

In der warmen Jahreszeit durften die Kühe wieder ins Freie auf die saftigen Felder. Waren die beiden Wiesen zu Hause abgegrast, wurde das Vieh auf weiter entfernte Weiden geführt. Dabei half ich gerne. Mit dem Velo lief ich voraus, ab und zu war ein Lockruf nötig: Hoo-o-o-o, chomm weili weili, chomm, buu-u-uu!, und die Vierbeiner folgten hinter mir her. Meistens hatte die Kuh namens „Braune“ ihr Maul fast am Velosattel, so nah lief sie hinter mir her. Zuhinterst folgte unser Vater oder mein grosser Bruder mit einem Stock in der Hand. So marschierte die ganze Truppe auf der Hauptstrasse z.B. beim Restaurant Krone vorbei zur Marienwies. Gegen Abend wurde das Vieh wieder nach Hause geholt zur Fütterung mit Heu und zum Melken.

Wenn mein Bruder mal nicht da war, durfte ich die Kühe „handle“, das heisst vormelken. Dabei musste ich die Euter mit den Händen streicheln und zwar immer von oben nach unten zu den Zitzen. So wurden sie stimuliert, um die Milch besser fliessen zu lassen.

Wenn eine Kuh trächtig war, schickte uns der Vater gegen Ende der Tragzeit zur „Mali“. Wir musste bei ihr Globuli holen „zum besser kalbern“. Mali war Homöopathin. In einem Zimmer befanden sich auf Wandkonsolen viele grosse, braune Glastöpfe, in denen die Globuli aufbewahrt waren. Sie mischte die kleinen, weissen Kügelchen nach Rezepten aus einem grossen, dicken Buch. Waren wir Kinder erkältet, besorgte Mutter für uns Akonit (Aconitum). Weil wir selten Süssigkeiten zu Hause hatten, stibitzte ich manchmal von den süssen Globuli.

Im Frühjahr wurden die Kartoffeln gesteckt, dann wurde mit Heuen begonnen, danach folgte schon wieder das Emden.

Eines Morgens hörte ich Vater in der Küche zu Mutter sagen: „Heute gehe ich mähen.“ Das rief in mir keine Freude wach, ich ging viel lieber zur Schule als zum Heuen. Aber ich konnte die Jahreszeiten und die Arbeiten nicht aufhalten.
So mussten wir alle, gern oder ungern, tüchtig mithelfen. Am liebsten schichtete ich das Heu auf Heinzen. Vater ordnete das Heinzenmachen nur an, wenn eine Schlechtwetterperiode angesagt war. So war ich für einige Tage von meiner ungeliebten Arbeit befreit.
Wir besassen damals nur eine Mähmaschine und einen Schwadenrechen, mit dem man Mädli machen konnte. Alle andern Arbeiten mussten von Hand verrichtet werden.
Nach dem Heuen wurde unverzüglich mit Emden begonnen. Das Emd war um einiges leichter als das Heu. So war auch das „Worben“ und „Zetten“ weniger streng. Am frühen Vormittag musste das frisch gemähte Gras geworbt, anschliessend die Schöchli vom Vortag auseinander gezettet, am Nachmittag dieses fast dürre Heu nochmals gezettet werden. Dann konnte man es mit dem Schwadenrechen zu Maden zusammenmachen.
Nun begann man das Heu zu laden, Mutter und Bruder gabelten das Heu auf den Brückenwagen, wo es Vater fachgerecht zu einem gleichmässigen Fuder aufschüttete. Ich musste mit dem grossen Rechen hinten noch den liegengeblieben Rest zusammenrechen.
Das ganze Fuder wurde mit einem Bindbaum und einem Seil gut angebunden und dann von unserem treuen Pferd Kuba nach Hause gezogen. In der Tenne wurde das Futter für den Winter mit Gabeln, später mit einem Zangenaufzug auf den Heustock gebracht, wo wir Kinder es feststampfen mussten. Wir waren barfuss und die dürren Heustängel verursachten etliche Kratzer an den Beinen. Auch beim Arbeiten auf den Wiesen zogen wir manch schmerzhaftes „Stumpenloch“ zu, meistens zwischen den Zehen.

Andere Kinder sammelten mit ihren Schaufeln und Holzkisten auf den Strassen im Dorf den Pferdemist als Dung für die Gemüsegärten ihrer Mütter.

ein Fuder Heu

ein Fuder Heu

 

Nach der Heuernte folgten gleich die Kartoffelernte. Dies verrichtete Vater mit dem vom Pferd gezogenen Pflug . Wir mussten die reiche Ernte auflesen, dabei die Ackererde gut abreiben und die vollen Körbe in Säcke leeren.

Im Herbst war Obst pflücken und auflesen angesagt.
Vater pflückte Äpfel, die er nach Gams an den Frucht- und Gemüsehändler Kesseli verkaufen konnte. Dieser wiederum hatte seine Kunden in der halben Ostschweiz, mit dem Lastwagen fuhr er bis nach St. Gallen an den Markt. Das Fallobst lasen wir auf. Diese Arbeit liebte ich, mit Mutter machten wir Wettrennen, wer zuerst einen Kratten voll hat. So war der Boden unter einem Baum schnell gesäubert und Sack um Sack mit Mostobst gefüllt. Die letzten Äpfel waren die Bosdorferli. Ich erinnere mich, dass Mutter und ich einmal bei eisigkaltem Wetter und leichtem Schneegestöber die letzten Mostäpfel auflasen.

Wir hatten auch einen Acker mit Mais. Da freuten wir uns auf die „Türggeusscheletä“. Im Tenn wurden die reifen Maiskolben auf einen Haufen geschüttet. Auf den Längsseiten der Tenne standen Holzbänke, auf denen wir und einige unserer Nachbarn Platz nahmen. Dann griff man sich einen Maiskolben, schälte die Blätter weg, liess aber drei bis vier starke Blätter daran. So konnte man je zwei Kolben miteinander zu einem Paar verknüpfen. Diese wurden zum Trocknen im luftigen Estrich an Holzleisten aufgehängt. Waren die Maiskörner hart, wurden sie in der Stricker-Mühle zu Mehl gemahlen. Bei dieser „Türggeusscheletä“ ging es meist lustig zu und her. Es wurde gesungen, Geschichten von früher erzählt, Witze zum Besten gegeben, man lachte und freute sich. Nach der Arbeit gab es einen Imbiss, ich erinnere mich an Birnbrot mit Butter und Kaffee. Wahrscheinlich war auch Most vorhanden.

In meiner Jugendzeit hatte es viel mehr Schnee, als heute. Oft lag am Morgen 30 bis 40 cm Neuschnee. Dann nahm Vater den kleinen Schneepflug hervor, spannte unser Pferd davor und pflügte die Gässchen und Gassen um unser Haus und in der Nachbarschaft. Der Schneepflug bestand aus zwei etwa 40 bis 50 cm hohen, starken Brettern, die zu einem „V“ verfestigt waren. Quer darüber wieder ein Brett, auf dem unser Vater sass, das Leitseil in der Hand. Das Pferd zog den Pflug durch den Neuschnee und so entstanden begehbare Wege.

Bekleidung früher

 

Episode 13- „Kleidung um 1950“: (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Fussbekleidung
Wir liefen während der ganzen warmen Jahreszeit barfuss, auch zur Schule trugen wir bis zur Oberstufe keine Schuhe. Für den Sonntag hatten wir aber weisse Söckli und Sonntagsschuhe.
Barfuss gehen durften wir im Frühling erst, wenn auf dem Pierbühel kein Schnee mehr lag oder der Kuckuck das erste Mal seinen Ruf erschallen liess. Im Herbst konnten wir barfuss gehen so lange wir mochten. So härtete man sich ab für den Winter.

Für meinen ersten Schultag nähte mir Mutter eine hochgeschlossene Schürze mit „Fälbeli“ (Volants) an den Achseln. Darunter trug ich einen blau-weiss karierten, langärmligen Rock. Um die Rock- und Pulloverärmel zu schützen, trugen wir Überärmel. Diese reichten vom Handgelenk bis über den Ellbogen. Sie waren aus Baumwollstoff und hatten vorne und hinten einen Gummizug. Schürzen trugen wir während den ganzen Schuljahren, sogar in der Sekundarschule.

Kleidung im Winter
Wir Mädchen zogen nun an Stelle eines Rockes unsere Skihosen an. Mutter nähte sie selbst aus warmem Wollstoff aus „Rohners“ Stoffladen. Erst waren es richtige Plumphosen, die nach ein paar Jahren, in denen wir wuchsen, fast zu Keilhosen wurden.
Als Winterschuhe trugen wir über die Knöchel reichende Schuhe mit Holzboden. Die waren recht warm, hatten aber den Nachteil, dass sich an den Holzsohlen Schneeklumpen bildeten. Später hatten wir dann Winterschuhe mit starken Gummisohlen. Unsere Unterwäsche bestand aus selbst genähten Barchenthemden mit langen Ärmeln und Interlockunterhosen, die an den Beinabschlüssen einen Gummizug hatten. Die Hosenbeine reichten bis etwa Mitte der Oberschenkel. Interlock ist ein Baumwollgewebe ähnlich einem Jersey, der aber auf der Innenseite aufgerauht war, fast wie Frottee.
Wir hatten auch Einteiler als Unterwäsche. Auch diese waren aus dem gleichen Material, hatten lange Ärmel und lange Beine bis zu den Knöcheln. Damit wir auf den Abort konnten, hatten diese Einteiler an der Hinterseite der Hose ein oben abknöpfbares Teil, das man hinunterlassen konnte.
Gestrickte Wollstrümpfe schützten die Beine vor der Kälte. Die Strümpfe reichten bis zum Ende der Oberschenkel.
Über dem Unterhemd trug man ein „Gstältli“. Das war wie ein ärmelloser Pullover mit schmalen Achseln und reichte nur bis zur Taille. Beidseitig war am unteren Rand je ein Lochgummiband angenäht. An den Strumpfabschlüssen befand sich an der Beinaussenseite je ein Knopf, an dem man das Gummiband einhängen konnte. So rutschten die Strümpfe nicht hinunter. Etwa in der 5. Klasse mussten wir in der Handarbeitsschule selbst ein Paar Strümpfe stricken. Meine waren aus beiger Wolle, das Muster zwei rechts, zwei links, die rechten Maschen in jeder 6. Runde immer gekreuzt: so entstand ein Zopfmuster. Ach wie hatte ich lange Beine, ich glaubte, ich würde nie fertig mit „lisme“, und doch schaffte ich es.
Gestrickte Fausthandschuhe und Mützen hielten Hände und Kopf warm. Die Jacken waren auch aus Wolle gestrickt, oder Mutter nähte uns solche aus warmem, dunkelblauem Wollstoff.

Karussel und Zuckerwatte

 

Episode 12- „Jahrmarkt um 1950“: (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Zwei Mal im Jahr fand im Dorf ein Warenmarkt statt, der Jahrmarkt. Auch dieser Tag war für uns Kinder ein kleiner Festtag.
Wir bekamen unter dem Jahr kein Sackgeld, aber am Jahrmarktstag gab uns Mutter einen Einfränkler mit der Bemerkung: „ S’vorig bringsch denn wieder!“ Und es kam vor, dass ich ihr noch einen Zwanziger zurückbringen konnte! Mit diesem Fränkler durften wir allein auf den Jahrmarkt. Da gab es ganz viele feine und schöne Sachen zu kaufen. Bei Vielem mussten wir uns mit Anschauen begnügen, aber am Magenbrotstand kaufte ich gerne eine Zuckererdbeere oder ein Päckli Zuckerzigaretten, die schmeckten so fein.

Beim Spielwarenstand kaufte ich mir mal einen Propeller, den man mit einem Ring an einem gewundenem Metallstäbchen kräftig in die Höhe schieben musste, dann flog er weit davon. Auch Blechvögel, die man mit einem Schlüssel aufziehen konnte, damit sie auf und ab wippten, waren schöne Jahrmarktsandenken.

Beim Dorfschulhaus stand eine Reitschule (Karussell) mit hübsch bemalten Holzpferdchen. Da freuten wir uns an einer Fahrt bei schöner Musikbegleitung. Ich meine mich zu erinnern, dass die Reitschule von grösseren Schuljungen kräftig angeschoben wurde. In späteren Jahren löste das motorbetriebene, moderne Karussell die Rösslireitschule ab. Da fuhr man die Runden im Feuerwehrauto, auf einem Töff oder in einem Schiff.

Auch bei den Süssigkeiten gab es Neues: die Zuckerwatte!

Einmal fuhr Mutter ohne uns zum Jahrmarkt. Ich wusste, dass es dort auch Südfrüchte zu kaufen gab. So bat ich meine Mutter, mir doch bitte eine Orange mitzubringen. Wir hatten ja fast das ganze Jahr über Äpfel zum Essen, man kaufte keine teuren Früchte im Laden.
Als Mutter sich auf dem Velo unserem Haus näherte, hielt sie in der Hand eine Orange hoch. Wie freute ich mich, aber oh weh, es war keine Orange, sie hatte für uns einen kleinen, orangefarbenen Ball gekauft. Sie dachte wohl, dass so alle etwas Neues zum Spielen haben, eine Orange wäre ja in kurzer Zeit verschwunden gewesen.

Laubsäcke und Eisblumen

 

Episode 10 – „Unsere Betten um 1950“: (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Unsere Betten hatten noch keine Matratzen. Wir schliefen auf einem Laubsack, der alle zwei Jahre neu gefüllt wurde.

An einem trockenen Spätherbstmorgen machte sich unsere Mutter auf zum Buchenwald an der Bunzenhalde. Dort lag das trockene Buchenlaub dicht auf dem Boden. Es wurde in grosse Säcke gestopft und zu Hause in frische Laubsäcke umgefüllt.
Das alte, zerbröselte Laub brauchten wir noch als Streumaterial im Kuhstall, bevor es dann endgültig ausgedient hatte und auf dam Miststock landete.
Die leeren Laubsäcke wurden gewaschen, zum Trocknen aufgehängt und später im Schrank versorgt, um sie dann in zwei Jahren wieder hervorzuholen, wenn es wieder galt neues Laub einzufüllen.

Wie freuten wir Kinder uns auf den Abend!
Da gab es beim Zubettgehen keine Delle mehr, ein vollgestopfter Laubsack war in unseren Betten. Wie war das ein Vergnügen sich auf die prallgefüllten Säcke zu legen. Da musste man aufpassen, dass man nicht gleich wieder hinunter purzelte. Unsere neue Unterlage fühlte sich warm an, es war herrlich auf einem Barchentleintuch darauf einzuschlafen.

Im Winter hatten wir auch Barchentoberleintücher, eine Wolldecke und das Federbett. Dazu gab uns ein Kirschensteinsack, den wir aus dem warmen Ofenrohr holten, wohlige Wärme. Das war auch notwendig, hatten wir doch ungeheizte Schlafzimmer.
Wenn es sehr kalt war, entstand über Nacht von unserem Atem Rauhreif am Oberleintuch. Trotz den Vorfenstern, die wir während der kalten Jahreszeit montiert hatten, zierten am Morgen wunderschöne Eisblumen die Fensterscheiben, Kunstwerke des Winters, wie man sie heute nirgends mehr findet.

Badezimmer um 1950

 

Episode 9 – „Unser Badezimmer um 1950“: (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Unser Badezimmer befand sich unter freiem Himmel. Als Badewanne nutzten wir den Brunnentrog vor dem Stall. Dieser diente aber in erster Linie als Durstlöscher für die Kühe, wenn sie von der Weide zurück in den Stall kamen, oder wenn sie im Winter zum Trinken hinausgelassen wurden.

An heissen Sommertagen wurde der Betontrog umgenutzt. Schon am Morgen liess ihn Mutter mit Wasser voll laufen. Bis am späten Nachmittag hatte das Wasser eine angenehme Temperatur, sodass wir ein Bad nehmen konnten. Mit grosser Freude vergnügten wir uns! Wir planschten und spritzten einander an. Nebenan scharrten, pickten und gackerten die Hühner und auf der Wiese graste das Vieh.

Unsere tägliche Katzenwäsche und das Zähneputzen fanden am Schüttstein in der Küche statt. Jeweils am Sonntag musste die Körperpflege gründlicher sein.
Bis wir gross genug waren, um uns allein gründlich zu waschen, nahm uns Mutter „in die Kur“. Mit Waschlappen und LUX-Seife wusch sie uns Gesicht, Hals und Ohren, aber auch die Arme bis unter die Achseln. Dann waren wir wieder sauber!

Den Abort erreichten wir vom Hausgang aus über vier Treppenstufen. Es war ein Plumpsklo. Als WC-Papier dienten Zeitungsabschnitte. Mit einem Riegel wurde die Türe verschlossen. Mehrmals passierte es, dass eines der Kinder den Riegel nicht mehr zurück schieben konnte. Jetzt war Vaters Hilfe nötig. Er stieg auf einer Leiter zum schmalen Fenster hoch. Mit einer langen Stange, an deren Ende eine Hakenschraube befestigt war, konnte er den Riegel zurück schieben und uns befreien.

Unter jedem Bett stand ein Nachtgeschirr. Dieses leerten wir am Morgen ins Plumpsklo. Dabei konnte es passieren, dass so ein Nachthafen in den Güllenkasten fiel. Auch da musste Vater helfen. Mit einer Schüttrute, die wir zum Obst schütteln brauchten, angelte er das versunkene Stück aus dem dunklen, stinkigen Verliess.

Haus Oberfeld

Haus Oberfeld

Grosse Wäsche beim Grabser Mühlbach

 

Episode 8 – „Grosse Wäsche um 1950“: (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Jeweils am Sonntagmorgen legte uns Mutter frische Wäsche bereit. Diese trugen wir dann die ganze Woche. Auch die Kleider wechselten wir nur wöchentlich. Die Sonntagskleider wurden am Montagmorgen wieder schön im Schrank versorgt.
Bei einer so grossen Familie wuchs der Wäscheberg kontinuierlich an. Unsere Stofftaschentücher und die gestrickten Wollsocken und -strümpfe wuschen wir von Hand. Dazu stellte die Mutter eine kleine Gelte mit warmem Seifenwasser in der Küche auf den Hocker, und ich war schon bald einmal gross genug, diese Sachen zu waschen. Windeln konnten wir auf dem Holzherd in einem grossen Wäschehafen sieden. Spülen mussten wir sie wiederum von Hand, erst mit warmem Wasser aus dem Wasserschiff und dann noch zwei Mal mit kaltem Wasser.
Alle vier Wochen hatte Mutter grosse Wäsche. Die Bettwäsche wurde gewechselt, was von unseren acht Betten allein schon einen riesigen Berg ergab. Dazu kam die Küchenwäsche, die Frottetücher und Waschplätze. Vaters Stallhosen kamen dazu, die meist sehr dreckig waren. Solch schmutzige Wäschestücke musste Mutter in einer guten Seifenlauge einweichen.

Wir hatten keine Waschmaschine, aber im Dorf gab es drei öffentliche Waschküchen. Mutter liess immer in der Waschküche im Oberdorf waschen. Sie bestellte rechtzeitig die Waschfrau. Für uns war es immer „Gristgatter-Mreiä“ Am Vorabend musste Mutter die Wäsche in grossen hölzernen Gelten, auf einem Handwagen, ins Oberdorf ziehen. Auf dem Wagen war auch das Brennholz, das benötigt wurde um den Waschhafen zu heizen – dies war eine Last.

Den Handwagen mit der Wäsche stellten wir in den Stall bei Grossmutter. Am nächsten Morgen früh, zwischen vier und fünf Uhr, begann Mreiä in der Waschküche mit der Arbeit. Zuerst musste sie Feuer machen um das Wasser in den zwei Waschhafen zu erhitzen. Darin wurde die Wäsche gesotten, zuerst die Weisse, dann die Bunte und zum Schluss die Stallkleider. Dann kamen die Stücke in eine Waschmaschine, die vom Wasser des Mühlbaches angetrieben wurde. Danach wurde in zwei Spültrögen gespült, dazu konnte warmes Wasser vom Waschhafen hinübergeleitet werden. Die letzte Spülung mit kaltem Wasser erfolgte im fliessenden Wasser des Mühlbaches. Ich erinnere mich gut, wie die weissen Leintücher vom strömenden Wasser fast mitgenommen wurden, wie Mreiä sie festhielt und immer wieder zurück zog und wieder mitreissen liess, dies drei bis vier Mal, dann war die Wäsche bestimmt klar gespült. Unsere Mutter half an diesen Waschtagen oft mit, sofern es die anstehenden Arbeiten in der Landwirtschaft zuliessen.

So gegen Mittag war die anstrengende Arbeit getan. Ich weiss nicht mehr genau, welchen Stundenlohn die Waschfrau bekam. Ich meine mich zu erinnern, dass sie für die ganze Arbeit nur 4.50 Franken verlangte. Wusch sie an einem Tag für drei bis vier Familien so kam für sie doch ein schöner Betrag von fast 20.- Franken zusammen.
Mutter holte die saubere Wäsche ab und hängte sie zu Hause zum Trocknen auf. Bei schönem Wetter spannte sie in der oberen Wiese das lange Wäscheseil, in der kalten Jahreszeit oder bei schlechtem Wetter hing die Wäsche in der Oberdiele (Estrich), bis sie trocken war.

Wäsche trocknen

Wäsche trocknen