Ziegenhirten

Anlässlich der Recherche zu Doazmol Band 6 über die Berggänger damals im Alpstein entdeckten wir in den historischen Reisebeschrieben einige Passagen zur Region Werdenberg. Hier eine erste Kostprobe:
(Textauszug gefunden in „Beschreibung der schweizerischen Alpen- und Landwirthschaft“. Johann Rudolf Steinmüller, Steinerische Buchhandlung Winterthur, 1804)

„Einzig auf einer Alp der Gemeinde Gambs hält man des Sommers eine Ziegenheerde, um Käse von ihrer Milch zu kochen.
In allen übrigen Dörfern, Fontnas ausgenommen, hat man grosse gemeinsame Ziegenbehirtschaften, die von einem Hirten alle Morgen auf die Weide getrieben, und an jedem Abend wieder zurückgebracht werden. Vorzüglich die ärmere Volksklasse, die keine Kühe vermag, hält an ihrer Statt Ziegen, und die Milch derselben wird meistens überall zum Kaffe benutzt.
Neben dem allgemein bekannten Schaden, den diese Thiere in den Waldungen anrichten, beschädigen sie auch hin und wieder zahme junge Bäumchen im Thale, indem sie bisweilen, ungeachtet aller Vorsicht, sich denselben zu bemächtigen Wissen.“

“Damals im Alpstein” (Doazmol Band 6) erscheint Ende Juni 2015 und kann bereits jetzt gerne vorbestellt werden. Der hier präsentierte Text ist nicht im Buch enthalten, stattdessen jedoch die herrliche Schilderung eines damaligen Geissbuben über seine Erlebnisse. (dreiseitiger Textauszug aus „Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg“ von Ulrich Bräker, hrsg. von H. H. Füssli. Zürich bey Orell, Gessner, Füssli und Compagnie 1789)

Damals im Alpstein

Dieser Beitrag wurde in der Zwischenzeit aktualisiert:

Doazmol Band 6 ist fast fertig, erscheint gegen Ende Juni und handelt von den Berggängern damals im wunderschönen Alpstein. Ca. 144 148 Seiten, Format A4, schwarz-weiss Druck, Ringbindung. Eine Sammlung herrlicher historischer Texte und von ca. 160 170 alten Bildern. Kosten voraussichtlich CHF 30 35 Franken.

Bitte vorbestellen und weitersagen.

Hier Entwurf der Titelseite:
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1826 zum Thema Strassen

Seit die Strassen überall im Lande [Appenzell] hergestellt und fahrbar gemacht worden, werden die Landesprodukte nicht mehr wie sonst auf Saumpferden, sondern mehr auf der Achse verführt, und dadurch hat die Zahl der Pferde selbst abgenommen. Hie und da begegnet man indess noch solchen Zügen von Saumpferden, welche mit farbigen Harzdecken, mit Schellen, und zu beiden Seiten mit Fässern voll Butter oder Käse behangen hintereinander einherziehen. …

Eine wohlerhaltene fahrbare Landstrasse zieht aus dem Rheintal von Altstetten über die Anhöhe am Stoss herauf durch das Dorf, und über den Platz nach der vier Stunden von Gais entfernten Stadt St. Gallen…..

Während Gegenwärtiges gedruckt worden, zeiget die Neue Zürcher Zeitung (Nr. 10. vom 4. Februar 1826) an, dass die Kommunikationsstrasse von Lichtensteig über Wildhaus nach dem Rheinthal, …, bereits projektirt, und der Ausführung nahe sey. — Ein neues Verdienst, welches sich in diesem Fall die St. Galler Regierung um das öffentliche Wohl erwirbt!

(Auszug aus „Gais, Weissbad und die Molkenkuren im Canton Appenzell“ von Fr. K. von Kronfels, 1826)

Wie unsere Strassen entstanden

(Teil 3 der vierteiligen Artikelserie zum Thema Verkehrswege)

Auszug aus dem Appenzeller Kalender Ausgabe 1915, Autor Sal. Schlatter:

Der letztjährige Kalender erzählte ein wenig von alten Wegen und Stegen im Land. Diesmal möchte ich berichten, wie wir zu den neuen Strassen gekommen sind. … Den Anstoss gab der gute Fürstabt Beda von St. Gallen, oder vielmehr die schwere Hungersnot der Jahre 1770 und 1771. Um seine Untertanen nicht einfach verhungern zu lassen, kaufte er in Italien Getreide zusammen. Dieses wurde nach Bellinzona im Tessin geliefert, wo es liegen zu bleiben drohte wegen Mangel an Saumpferden zum Transport über den Splügen [?]. Deshalb blieb nichts anderes übrig, als eine Trägerkolonne von 460 Mann hinzuschicken, welche die Kornsäcke über die Alpenpässe bis ins Rheintal zu tragen hatten. … Diese schwere Zeit öffnete wenigstens den Einsichtigen die Augen für die verhängnisvollen Folgen des Mangels an guten Verkehrsmitteln, die den Austausch der Landesprodukte zwischen den Gegenden mit verschieden geratener Ernte ermöglichen.

Allerdings ging’s auch jetzt noch nicht so leicht. Alter Schlendrian und alte Vorurteile wurzelten noch tief. Abt Beda hielt schon im Jahre 1770 eine Konferenz mit den Stiftsherren und Beamten seiner Regierung ab, in der er diesen die Notwendigkeit einer Strasse von Rorschach über St. Gallen nach Wil klar zu machen suchte. Da wurde noch gesagt, die Schweiz sei mit schlechten Wegen zu Kriegszeiten sicherer und besser geschützt. Auf einer guten Strasse werde mehr geflucht und auf die Pferde losgeschlagen, als auf einer überhaupt nicht brauchbaren, weil man mehr aufladen und schneller fahren wolle. Zudem verleite man damit die Leute nur zu grösserem Aufwand, es sei durchaus nicht nötig, dass die Bauern anfangen in der Kutsche zu fahren. Auch habe die Regierung nicht die Pflicht, den Untertanen eine gute Strasse zu machen; wer sie braucht, solle sie auch zahlen! Es war ja bis dahin allgemein Sitte, dass die anstossenden Grundbesitzer auch die Landstrasse zu unterhalten hatten, wie jetzt noch ihre eigenen Privatwege, höchstens dass solche, die die Strasse besonders stark brauchten, daran Beiträge zu leisten hatten. So musste z.B. die Stadt St. Gallen jedesmal im Herbst, vor Beginn der Weinfuhre aus dem Rheintal die Strasse von Rorschach her ein wenig verbessern helfen.
Nach vielen Schwierigkeiten, die ihm von allen Seiten gemacht wurden, setzte der Abt doch den Bau dieser wichtigen Hauptstrasse durch. …

Am raschesten folgten dem gegebenen Beispiele die Rheintaler.
Der starke Durchgangsverkehr von und nach Graubünden und Italien hatte dort seit langem das Verständnis dafür geweckt. Schon im Jahr 1777 folgten die dortigen Gemeinden der Aufforderung des Abtes zur Erstellung einer neuen Landstrasse. …

Wir dürfen uns dabei aber noch nicht etwa Landstrassen nach unsern heutigen Begriffen vorstellen. … Es waren noch sehr bescheidene, schmale, furchtbar steile Strassen, heute nur noch etwa Waldstrassen vergleichbar, aber doch endlich Wege, die mit Wagen befahren werden konnten und eine bessere Zufuhr ermöglichten.

Das Toggenburg hatte sich einem Versuche des Abtes Leodegar, die anstossenden Gemeinden zum Bau einer Strasse über Hummelwald [Ricken] zu veranlassen, noch im Anfang des Jahrhunderts so kräftig widersetzt, dass schliesslich der Krieg des Jahres 1712 daraus entstand. Damals witterte man noch überall Religionsgefahr. Auch jetzt noch musste die Anregung von aussen kommen. Die Reichsstadt Ueberlingen am Bodensee machte im Jahr 1784 die Kantons Schwyz und Glarus auf den Vorteil aufmerksam, den diese von einer direkten Verbindung gegen Rorschach hin für die bequeme Zufuhr des schwäbischen Getreides hätten. Diese bauten nun eine Strasse durch das Uznacher- und Gasterland, ihr Untertanengebiet, und baten um Weiterführung über den Hummelwald nach Liechtensteig. Das half endlich. Im Jahr 1786 erklärten sich alle Gemeinden, durch welche die Strasse führen sollte, zum Bau bereit. Nun entstand ein eigentlicher Wetteifer. Ueberall im Toggenburg ging das Strassenbauen los. Alle Täler wiederhalten von den Sprengschüssen, allerorts wurde gegraben und aufgeschüttet. … Um die Kosten aufzubringen, wurde mit manchem alten Schlendrian gebrochen. Im Rheintal wurden die riesigen Rietflächen, das Bauriet und das Isenriet, im Toggenburg die weiten Alpgebiete zu besserer Bewirtschaftung unter die Gemeinden verteilt, nachdem sie bisher einfach der allgemeinen Benutzung durch die ganze betreffende Talschaft offen gestanden waren. Es war so etwas wie der Anfang einer neuen Zeit. …

Die schweren Jahre von 1813 bis zum Ende der Hungersnot von 1816-1817 waren solchen Werken nicht günstig. Der immer steigende neuzeitliche Verkehr zeigte aber täglich mehr, wie wenig ihm die Wege gewachsen seien, die man in der beschriebenen Zeit noch mit bescheidenen Mitteln und ohne rechte Kenntnisse und Erfahrungen hergestellt hatte. Es bildete sich auch erst nach und nach der Stand der Ingenieure heran, welche die nötige technische Bildung für die richtige Durchführung von Strassen, besonders in unserem schwierigen Gebirgslande besassen. In den 20er und 30er Jahren des 19. Jahrhunderts begann die Zeit, in der eigentlich erst kunstgerechte Landstrassen im heutigen Sinne entstanden. … Bei diesen Arbeiten erschienen in unserer Gegend zum ersten Mal italienische Arbeiter, ohne die wir uns heute irgend eine grössere Baute gar nicht mehr denken können. …

Am 1. Mai 1842 endlich konnte zum ersten Male ein grosser Postwagen die ganze Strecke befahren: die erste direkte Fahrverbindung St. Gallen – Trogen – Altstätten – Feldkirch! Der Ruppen war bis dahin unfahrbar und im Winter oft wochenlang überhaupt unpassierbar gewesen. …

Noch wurde nach der Fertigstellung überall Weggeld von jedem Fuhrwerk und Reiter bezogen, das den Unterhalt decken sollte. … Da kann man sich denken, wie vergnügt die Fuhrleute und Reisenden allerorts die neue Bundesverfassung vom Jahre 1848 begrüssten, die endlich den Grundsatz aufstellte: Ein freier Weg durchs ganze Land!

Wenn heute [1915!] jener Klosterherr von St. Gallen, der gegen das schnelle Tempo und das Kutschenfahren der Bauern war, den Verkehr auf unseren Strassen sehen könnte, das Auto rattern und das Velo klingeln, die Strassenbahn surren und den schweren Motorlastwagen rumpeln hören würde, was würde er wohl dazu sagen? …

Von alten Wegen und Stegen

(Teil 2 der vierteiligen Artikelserie zum Thema Verkehrswege)

Auszug aus dem Appenzeller Kalender Ausgabe 1914, Autor Sal. Schlatter:
Saeumerzug Gais

In der Schule hörten wir als Kinder immer mit besonderem Vergnügen von der Völkerwanderung erzählen, wie da aus dem Norden ein grosser Heerzug kam, voraus die blonden Krieger, hoch zu Ross, dann die endlose Reihe der Wagen, mit knarrenden Rädern aus einem dicken Brett, überdeckt mit einem groben leinenen Tuch, unter dem sich auf Bärenhäuten die Kinder kugelten und der Hausrat lag, gezogen von starken Ochsen. Wie in der Nacht die Wagenburg aufgestellt und die Lagerfeuer angezündet wurden, und wie mit starker Faust das Land erobert und die Römer und Ureinwohner entweder getötet, vertrieben oder unterjocht wurden. Wie sich die allemannischen Schaaren dann allmälig in unsre Bergtäler hinein verteilten, den Wald rodeten und brannten, das Strauchwerk „schwendeten“ und so den Anfang zur Wohnlichmachung unserer Voralpengegenden machten.
Im Ganzen und Grossen stimmt dieses Bild auch, soweit diese Schaaren durch flachere Gegenden oder auf den von den Römern in vielhundertjähriger Kulturarbeit angelegten Heerstrassen ziehen konnten. Diejenigen aber, die sich unsre Appenzeller Täler und Höhen, das Toggenburg und andere ähnlich gebirgige Gegenden zu ihrer neuen Heimat erwählten, die mussten schon etwas bescheidener einziehen. Da führten nirgends schöne Römerstrassen hinein. Dichter Wald und wildes Gestrüpp deckte noch den grössten Teil des Landes, höchstens ein paar schmale Fuss- und Viehpfade wanden sich mühsam hindurch. …

… [im Jahr 614] … Es muss also schon damals ein Weg über die Saxerlucke bekannt gewesen sein und offenbar als direkte Verbindung vom Oberland, vielleicht auch vom Arlberg und Chur nach Konstanz gedient haben. Es ist überhaupt das merkwürdige für uns, dass die alten Wege fast überall die Täler mieden und über Gräte und Sättel führten. Sie suchten einerseits die kürzeste Linie von einem Ort zum andern, unbekümmert um die Bequemlichkeit, andrerseits vermieden sie die steilen Abhänge und Talwände wegen ihrer Gefährlichkeit und die Talgründe wegen den noch oft vorhandenen Sümpfen und Ueberschwemmungen. Die bequemste Linie, ohne starke Rücksicht auf die natürlichen Schwierigkeiten, zu suchen, blieb erst der technisch geschulten Neuzeit vorbehalten. …

… ein regelmässig reger Verkehr entstand. Dieser brauchte Wege. Zwei starken Motiven entsprang dieser Verkehr und mit ihm das Verlangen nach Wegen: dem religiösen Bedürfnis und dem Handel. … So entstanden Kirchenwege, auf denen nicht nur der gewöhnliche Kirchgänger und der Priester auf dem Versehgang, sondern auch Prozessionen und Leichengeleite ziehen konnten. Der Handel war noch klein und auf wenige Gegenstände des täglichen Bedarfes beschränkt. Noch sorgte das Haus für das meiste selbst. Den Hafer zum täglichen Habermus und die Brotfrucht pflanzte man neben Rüben und Gemüse auf dem eigenen Acker. Die Kleidung spann und wob man aus dem eigenen Flachs und Hanf und aus der Wolle der Schafe. Das Haus und die notwendigen Geräte erstellte man sich eigenhändig oder mit Hülfe der einheimischen Handwerker. So musste nur das eingeführt werden, was das Land nicht selbst erzeugte, vor allem Eisen und eiserne Werkzeuge und Waffen, Salz, Wein, etwas Spezereien und dergleichen. Ausgeführt wurden dagegen die überschüssigen Landesprodukte, Käse, Honig, Häute, Flachs und bald auch Garn und Leinwand.

Aller dieser Verkehr aber geschah durch viele Jahrhunderte ausschliesslich zu Fuss oder zu Pferd, und die Warenbeförderung entweder auf dem eigenen Rücken oder auf demjenigen des Saumtieres. Dementsprechend waren die Wege entweder einfache Fusswege, … oder Saumpfade. Diese waren noch sehr wenig kunstgerecht angelegt, über Stock und Stein geführt, ohne Seitengraben. Die scharfen Hufeisen der Tiere hieben den Grund auf, die Wasser schwemmten ihn zu Tal, so dass die Wege im Lauf der Jahrhunderte zu tiefen Rinnen, richtigen Hohlwegen wurden, so tief, dass an manchen Stellen der Reiter auf seinem Pferd kaum über die hohen Ränder wegsah. Sumpfige, grundlose Stellen waren etwa mit runden Prügeln belegt. Prügelsuppen nannten wir als Kinder die letzten noch vorhandenen Reste. An steilen Stellen wieder waren sie mit unregelmässigen Steinplatten gepflastert, was zwar solid und haltbar war, aber keineswegs sehr angenehm zu begehen. …

Diese äusserst primitiven Verkehrsverhältnisse hatten ihre zwei Seiten. Sie verschlossen das Land gegen feindliche Angriffe und … machten seine Bewohner zu ausgezeichneten Fussgängern. … Es gewöhnte sie daran, grosse Lasten auf dem eigenen Rücken zu transportieren. … Sie erleichterte auch die Besiedlung der mühsamsten Höhen und der entferntesten Tälchen, wer auch von Dorf zu Dorf nicht bequem kutschieren konnte, dem machte es wenig aus, noch eine halbe Stunde weiter zu gehen.

… Die Schattenseiten zeigten sich allerdings ebenfalls, je weiter die Zeiten fortschritten, um so mehr. Als sich das Land vom 16. Jahrhundert an immer mehr der Weberei und dem Handel zuwandte, war die Ausfuhr der Fabrikationsprodukte sehr mühsam. Und als sich die Arbeit im Webkeller und in der Schreibstube gar lohnender erwies, als der Ackerbau, so dass dieser immer mehr zurückging, da kamen erst die Schwierigkeiten. Die Einfuhr des ganzen Bedarfes an Korn zu Brot bedurfte doch besserer Wege, und manche schwere Hungersnot hing mit dem Mangel derselben zusammen. Und dennoch musste der Anstoss zur Verbesserung von aussen her kommen.

(Fortsetzung folgt)