Grabser Schuleinrichtung

 
Episode 16 – „Schule : (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Jeden Tag wurde zum Anfang und zum Schluss ein Gebet gesprochen. Dies lernten wir von den Drittklässlern, die mit uns im gleichen Schulzimmer und vom gleichen Lehrer unterrichtet wurden.

Wir schrieben mit dünnen Griffeln auf Schiefertafeln. Später bekamen wir Holzgriffel, ähnlich wir Farbstifte, einfach mit einer Griffelmine.

Im Sommer hatten wir nur am Vormittag Schule, nachmittags gab es für die meisten Kinder zu Hause Arbeit. Dafür mussten wir auch am Samstagvormittag in die Schule.

Hausaufgaben kannten wir nicht, auch Prüfungen gab es noch keine, vielleicht in der dritten Klasse mal ein Diktat.

Im Sommer 1952 wurde das neue Schulhaus im Feld mit einem Umzug und Fest eingeweiht. Das alte Schulhaus wurde abgebrochen und an seiner Stelle die Molkerei Grabs gebaut.

Nun wurde also das Schulhaus Feld bezogen. Helle Räume mit grossen Fenstern, neue Pulte und höhenverstellbare Stühle, dazu eine grosse ebenfalls höhenverstellbare Wandtafel, welch ein Luxus! Im alten Schulhaus sassen wir noch in Viererbänken, die unten mit den Pulten starr verbunden waren.

Umzug Einweihung Schulhaus Feld

Umzug Einweihung Schulhaus Feld

Stipendien doazmol

 

Episode 13 – „Freiplatz an der Realschule“: (aus „kurze Lebensbeschreibung und Jugenderinnerungen“ verfasst von Christian Tinner, geboren 1880)

„Als es im Frühjahr 1893 gegen das Examen ging, fragte der Lehrer einmal, wer in die Realschule gehen werde, solle ihm das melden, damit er das nötige Zeugnis machen könne. Leider durfte ich mich nicht melden, denn meine Eltern erklärten, dass sie mich nicht entbehren können; ich müsse in die Ergänzungsschule gehen und in der freien Zeit fädeln. Dabei blieb es trotz meinem ständigen Bitten und obwohl es mir während der früheren Jahre versprochen war, wenn ich fleissig fädle. Aber das nächste Jahr könne ich dann gehen. Also vertröstete ich mich und fädelte weiter. Aber etwa von Neujahr an merkte ich, dass die Eltern nicht an diese Möglichkeiten glaubten, im kommenden Frühling mich gehen zu lassen. Das machte mich stutzig und traurig. Ich sah ja wohl ein, dass es ihnen schwer gehen wird und dass sie meine Hilfe sehr missen müssten, aber ich überlegte mir auch, was soll denn aus mir werden? Ich fasste den Entschluss: Ich setze es einfach durch! Diesen Frühling will ich gehen, das ist für mein Leben nötig. Mein Verhalten bis zum Frühling trug mir viele Schläge und dem Vater auch viel Verdruss ein. Als dann im April ausgeschrieben war „Realschule Frümsen – Aufnahmeprüfung Montag, den….“, da war der vorherige Sonntag grösster Kampf. Mehrmals Schläge mit dem Strick und „wit jez recht toa“? „Wenn i tar i d’Realschuel toni recht und sos nöd“.

….Endlich um halb neun Uhr kam’s heraus: „Jo nu, wenn’d glich nöd wit recht toa, isch es no gschider, du göngist, aber du muest mr all Obed fädle bis em zehni und um en Friplatz muest selber froga“. „Jo da toni alls, i danka“.
Ich war nur mit Hose, Hemd und Weste bekleidet und barfuss, es war schon dunkel, aber ich sprang so schnell ich mochte das ganze Dorf hinab zum Pfarrhaus. Zog hastig am Glockenzug, da kam Marie, des Pfarrers Schwester: „Was ist?“ „I möchte gern zum Herr Pfarrer“. „Jo jez isch es z’spoot“. Aber der Pfarrer hatte mich gehört und gekannt, kam und fragte nach meinem Begehr. „Herr Pfaarer, i gängt gern i d’Realschuel“. „So, so, da ist recht, i ha scho lang denkt du söttist go“. „Aber i ha ko Zügnis vom Learer“. „Das macht nichts, komm du nur am Morgen“. „Jo gern, aber de Vater het gsoat, i möss selber um en Friplatz fröga“. „Ja, ja, Christian, do will ich scho defür sorga, gang nu heim und schlof fröhlich.“ „I danke ihne vielmol Herr Pfaarer, guet Nacht“.
Mit welcher grossen Freude und sogar noch einigem Stolz eilte ich nach Hause und meldete alles. Sogar der Vater zeigte noch Freude über meine Fröhlichkeit. Ich erneuerte ganz unaufgefordert mein Versprechen, dass ich dann schon fleissig fädeln wolle jeden Abend bis zehn Uhr.

Das Aufstehen am frühen Morgen ging mir noch selten so leicht wie an diesem Montag. Ich rüstete mich so festtäglich als es mir armen Büblein eben möglich war, nahm Bleistift, Federhalter und eine Rösslifeder und auch noch ein angefangenes Schreibheft mit. Von Salez war ich der einzige Kandidat. Vom Elternhaus bis zur Schule wären es ca. ¾ Stunden, aber ich brauchte nur ca. eine halbe Stunde.
Auf dem Platz beim Realschulhaus standen schon einige Gruppen Knaben. Ich merkte es bald: Da sind Sennwalder, da sind Saxer und da sind Frümsener. Etwas entfernt standen noch zwei Mädchen und ich stand ganz allein und endlich wurde die Haustüre von innen geöffnet; ein kleiner, junger Herr mit schwarzer Brille rief freundlich „kommt herein“.

Das war nun mein neuer Lehrer. Wie freute ich mich über dieses schöne Schulzimmer! Es standen da aber einige Männer und Herr Pfarrer Sonderegger von Salez. Das war der einzige Mensch, den ich kannte. Es waren zwei Reihen Schulbänke. Eine Reihe waren Dreiplätzer und die anderen Zweiplätzer. Der Lehrer hiess uns Platz nehmen; die Mädchen in die vorderste Bank, anschliessend die kleineren und dann die grösseren und zu hinterst die grössten Buben. Der Lehrer hielt eine kurze Ansprache, verteilte Papierbogen und gab uns dann Aufgaben. Wir mussten uns nummerieren auf 4. Dann gab es Aufsatzaufgaben, vier verschiedene Themen. So war also abschreiben ausgeschlossen. Schriftliches Rechnen fand ebenfalls auf selbständigem Arbeiten statt. Es gab dann eine Pause zum Abtreten auf den Spielplatz. Unterdessen wurden wahrscheinlich die Arbeiten geprüft und nachher gab es noch Kopfrechnen und Sprach-Prüfungen. Es wurde schon fast 12 Uhr, da hiess es plötzlich: Aufpassen, die Schule ist aus. Der Herr Pfarrer hielt eine kurze Ansprache. „Ihr habt Eure Aufgaben gut gemacht und ihr seid jetzt Realschüler. Seid immer fleissig und führet euch recht anständig auf in der Schule und auch ausser derselben. Seiet auch immer dem Herr Lehrer recht folgsam. Es haben hier zu bleiben:“ Er nennt ca. 4 Namen, zuletzt auch mich.

….. Zuletzt kam ich dran, es war mir bang geworden. Wenn auch ich noch abgewiesen würde? Diese Schmach! Aber es hiess: „Du hast die Sache gut gemacht, die Prüfung gut bestanden und bist also auch ein Realschüler. Wir haben beschlossen, dir auch den Freiplatz zu gewähren. Wir müssen noch wissen, ob du auch die Schulmaterialien frei haben willst oder ob du sie bezahlen kannst.“ Ich glaubte nicht so frech sein zu dürfen und die Lehrmittel auch noch gratis zu wünschen und sagte, „ich werde sie bezahlen“. – Das war dumm und brachte mir später noch einige sehr hinderliche Unannehmlichkeiten.

Tatzen in der Schule

 

Episode 5 – Tatzen in der Schule: (aus „kurze Lebensbeschreibung und Jugenderinnerungen“ verfasst von Christian Tinner, geboren 1880)

„Bis anfangs dritter Klasse war Herr Robert Bühler unser Primarlehrer. Seinen Unterricht genoss ich in vollen Zügen. Für manche Schüler, über welche ein anderer hinweg gegangen wäre, opferte er Geduld und Zeit, um sie, trotz ihrer Beschränktheit, doch noch zum Lesen und Schreiben zu bringen. Aber dennoch mussten Fortgeschrittenere nicht warten. Leider hiess es eines Tages plötzlich, es sei keine Schule mehr, der Lehrer sei fort.

Nach vielen Wochen ging die Schule wieder an. Ein neuer Lehrer kam. Sein Beginn gefiel mir doch gar nicht, er lautete ungefähr: „I bi jez euera Learer, die alt Schlamperei höart jez uf, i will eu jez denn emol ranschiera zum recht toa und lerna“. Der Lehrer blieb noch manche Jahre da. Ich machte bei ihm noch alle Klassen von 3-7 und ein Jahr Ergänzungsschule durch. Von den vielen Eindrücken, die ich da erhielt, erzähle ich lieber nicht viel. Sie trugen mir nicht viel Liebes ein.

Vier „Tatzen“, die ich von ihm auf meine schwachen Fädlerbubenhändchen erhielt, lösten in mir eine grosse Abneigung gegen ihn aus, denn ich war mir nie bewusst, womit ich sie hätte verdient haben sollen. Aber ich kann mich damit abfinden, weil andere Schüler – nicht alle – auch sehr oft körperliche Strafen erhielten, weil sie nicht zu antworten wussten. Vielleicht hat er nicht gewusst, dass man einem Gelehrsamkeit und Weisheit weder durch Hände noch durch die Haare oder den Hintern eingeben kann. In dieser Beziehung war er aber tatsächlich ein sehr geplagter Mann, denn es gab doch immerhin furchtbare Stöcke und Faulenzer, die ihm das Leben verbitterten.

Einmal konnte ich ihm eine grosse Freude machen. Er hatte angeordnet, dass am Morgen gebetet werden müsse und zwar jedes Mal der folgende oder die folgende und immer müsse es wieder ein anderes Gebet und niemals das „Unser Vater“ sein. Das gab Kopfzerbrechen.
Als ich an die Reihe kam, betete ich: „Vater im Himmel, wir rufen dich an, lehre uns wandeln die richtige Bahn. Lass uns erkennen was wahr ist und gut, gib es zu üben uns freudigen Muts. Eltern und Lehrer mit lobendem Sinn, führen zur Tugend zur Wahrheit uns hin. Segne, o Vater, ihr treues Bemühn. Amen.“ – Der Lehrer stand noch eine Weile mit gefalteten Händen mit rotem, gesenktem Kopf da.
Dann schaute er mich so lieb an, wie noch nie, kam zu mir her und fragte: „Tinner, woher hast du das?“ „Jo, das hani scho chönna vor i ha mösa i d’Schuel. S’Anneli und dr Andres hond das mösa lerna und do hanis halt o chönna“.
„So“, sagte er, „das Gebet muest du mir ufschriibe“ und zu den Schülern der 4.-7. Klasse „das müessender usswendig lerna, das ist s’best Schuelgebet“. Das hatte ich natürlich nicht beabsichtigt und es trug mir den Zorn vieler Mitschüler ein.
Durchgeführt wurde der Befehl nicht, gute Vorsätze blieben ja vo jeher meistens nicht ausgeführt.“

Der Fädler-Bub brilliert in der Schule

 

Episode 3 – Der erste Schultag: (aus „kurze Lebensbeschreibung und Jugenderinnerungen“ verfasst von Christian Tinner, geboren 1880)

„Mein Vater hatte also eine 6/4 Handstickmaschine. Schifflistickmaschinen gab es damals noch nicht. Wie meine älteren Geschwister musste auch ich fädeln lernen und brachte es schon im Alter von 4 Jahren auf eine ordentliche Fertigkeit. ….. Wir Geschwister fädelten also, man könnte sagen, fast um die Wette. Ganz besonders meine um 5 Jahre ältere Schwester Anna war sehr froh um meine Mithilfe, während der älteste Bruder Johann sehr oft schon als Schulknabe auf der Stickmaschine stickte „wie ein Grosser“. Der Vater war eben oft abwesend als Spengler arbeitend und brachte über seinen eigenen Unterhalt hinaus wenig für uns auf.
Nach mir kamen noch mehrere Geschwisterchen, von denen nur das anno 1885 geborene Mädchen Ursula „davon kam“, während vier oder fünf tot zur Welt kamen oder nur wenige Stunden lebten. Es geht daraus hervor, dass eben die Mutter oft „krank“ war, so dass Anna das Hausmütterchen zu spielen hatte. Sie war, trotz aller Not, ein ausserordentlich gesundes, starkes Mädchen und liebte Ordnung und Reinlichkeit in überaus mustergültiger Weise. Sie wusch und „strählte“ uns Buben und stellt uns auch auf robuste Art „in den Senkel“. Das gab manches „Familienfest“.

Mein erster Schultag im Mai 1886 bleibt mir noch im Gedächtnis. Von 1-4 Uhr war Schule für die ersten 4 Klassen. Wir waren also tief „beschäftigt“ mit Bölleli und Strichli machen. Ich hörte allerdings mit Interesse auch den älteren Schülern zu. Die vierte Klasse hatte gerade Kopfrechnen. Da war ein grosser Hans dabei, den der Lehrer fragte: „Hans, was ist 17 und 17?“ In weinerlicher Stimmung erfolgte zuerst „17 und 17 = 17“, dann noch weinerlicher „17 und 17 = 7“. „Dumms Züüg!“ war die Antwort des Lehrers.
Ich rief mit meinem dünnen Stimmchen laut „17 und 17 = 34“. Der Lehrer sprang vor: „Wer het do grüeft“. Alle Erstklässler zeigten auf den Fehlbaren. „So du? Chomm emol do füra“. Mir ward Angst. Der Lehrer stellte mich auf seinen Stuhl und rief: „Hans chomm au do füra“. Dann sagte der Lehrer: „So Christeli sägs jez em Hans lut i d’Ohre’n ina“. Ich sagte es laut. Nachher fragte mich der Lehrer „Wieso weisst du das?“ „Jo, i moss halt fädla, en Topf het 17 Nodla, zwe Töpf hond 34, drei Töpf onaföfzg Nodla, i woass no mea.“
Der Lehrer lachte nicht, er machte ein ernstes Gesicht, gab mir einen „Föfer“ und sagte: „So, so, du bist au so en’arms Fädlerbüebli“.