Brand-Herd
Episode 10 – „Brand-Herd“: (aus „kurze Lebensbeschreibung und Jugenderinnerungen“ verfasst von Christian Tinner, geboren 1880)
„Aus dem Sticklokal hatten die Eltern einen Teil durch eine Wand abgegrenzt und ein kleines Stübchen gemacht. Von diesem aus war ein Fensterchen gegen die Küche angebracht. Gerade hier war in der Küche der Holzherd gestellt.
Es war wieder einmal an einem schönen Sonntagmorgen, etwa 1888, als die Eltern und meine Geschwister eine kleine Reise unternahmen, und ich musste daheim bleiben bei unserer lieben Milchspenderin Ziege. Ich sorgte gut dafür, dass sie nicht Hunger und Durst leiden musste. Aber ich suchte auch für mich etwas Gutes zu machen. Es war wohl etwa halb zehn Uhr, ich beabsichtigte „Pätsch“ (ist ungefähr Omelette) zu machen.
Also: Ich mache Feuer, tue die Bratpfanne darauf und ordentlich Fett hinein, denn es soll gut werden. Dann nehme ich zwei Eier, ein Beckeli voll Mehl, etwas Salz und eine grosse Kachel und gehe zum Tisch in die Stube mit diesem Zeug und schwinge alles gut untereinander. Den Rücken habe ich gegen das Küchenfenster. Plötzlich sehe ich, dass an der anderen Wand sich immer etwas bewegt, das man nicht halten kann, ein Schatten. Ich kehre mich um und erschrecke grausig, denn in der Küche ist vom Herd gegen die Diele ein hohes Feuer.
So rasch wie nur möglich springe ich hinaus, nehme die brennende Pfanne und werfe sie, ohne zuerst das Fenster zu öffnen, auf die Strasse hinaus. Es kamen gerade eine Schar Leute aus der Kirche. Ich sah, wie sie stutzten, aber es kam niemand zu sehen, was los wäre. Mit meinem Mittagessen war es also nichts, denn ich konnte den Teig nicht kauen und nicht schlucken.
Um vier Uhr liess ich die Ziege wieder los und ging mit ihr nach dem Saxerriet, wo sie sich wieder satt fressen konnte. Aber ungern kehrte ich abends mit ihr Heim – es musste doch etwas meiner warten. Am Abend merkte es noch niemand, aber als am Morgen die Mutter Rösti machen wollte, war die Pfanne ganz durchlöchert und das Fenster zerschlagen. „Was hets do geehn?“ Es fiel mir gar nicht ein, etwas zusammen zu lügen, denn jenes Erlebnis beim Götti vergass ich nicht. Ich erzählte also gerade klipp und klar was geschehen war und wartete darauf, dass der Vater den Gurt abtun und mich über die Knie nehmen werde. Aber nicht das geschah. Der Vater sagte: „Das ist s’Gschidst gsi was hest chönna toan, s’Fenster chamma wieder macha und a Pfanna chamma o wieder choofa, aber wenn s’Hüüsli abbrännt wär, hetend mör en grossa Schade“. Nun war mir wieder wohler und mein Eifer ihm fleissig zu fädeln, wuchs nicht wenig an.“