Grabser Feierabend-Gespräche

 

Episode 4 – „Mit Grossmutter auf dem Heimweg“: (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Nachdem ihr Mann starb, war Lina tagsüber bei ihrer Tochter und deren Familie. Jeden Abend nach dem Essen wurde sie vom Oberfeld nach Hause ins Oberdorf begleitet. Auf diesem Fussmarsch durch das Dorf gab es manche Gespräche mit Leuten, die nach Feierabend noch draussen waren. Damals gab es noch nicht in jeder Stube ein Radio und schon gar nicht einen Fernseher.

Im Holland stand oft „Òschles Fluri“ am Tenntor. Da wurden einige Worte über das Wetter und den Verlauf der Heu- oder Obsternte gewechselt. Bei der Post und der Kreditanstalt (heute Velohandlung Lindenau) wohnten Kathrina und Tèäbis. Die Themen der Gespräche handelten meistens vom Dorfgeschehen und der Politik.
Der Heimweg ging weiter, an der Milchzentrale vorbei dem Oberdorf entgegen. Manchmal gab es bei „s’Thomäsä“ noch einen Halt. Ueli, Betheli und Chläusli, den sie „dr Bueb“ nannten, waren drei altledige Geschwister. Der Chläusli war häufig schon im Bett, da er ja die ganze Landwirtschaft (2-3 Kühe) allein bewältigte. Ueli war Musiker, anfangs kostete eine Gitarren-Stunde 1.- Fr., später 1.30 Franken. Betheli und Ueli schätzten die abendlichen Besuche, und oft griff Ueli in die Saiten seiner Zither und spielte das bekannte Harry Lime Thema aus dem Film „Der dritte Mann“. Diese zwei alten Leutchen konnten auch wunderbar erzählen und dabei herrlich übertreiben, dass man darüber nur schmunzeln konnte.

Hier ein paar Müsterchen, entnommen aus „Erinnerige as Thomäs“, vom Dachdecker Dres geschrieben:

Es isch en Nebel chuu, digg wie e Wònn, me hät denan bim Mischtzette tägwiis nid gseäh. Me hät Mischtfurgge nid müesse iestegge, sie isch selber gschtònne bi dem Nebel. Un vom Läde uftoä isch ke Red gsi, dr Nòmme häsch chönne iichretzä, soe digg isch dr Flot glegä.

Dr Chläusli hät emol uf dr Alp soe fescht Zòhweäh gkò, dass er drei Täg mus-chleppertoäd i dr Chripp hinn glegä sei.

Ass es eim bim Schtürmä d’Chnöpf vom Schoeppä ewegg rupft, seb weissme, aber d’Sögg zun Schuehne us, seb isch denn gschtürmt. Sisch denn o ruch un chalt worde, d’Chüeh häts tischhoech ufgworfe, soe häns gfrore.

Es sei e dergi Hitz gsi, dass em Betheli ihri Schoess bräselät heg. Un Breme hegs gkò, wie sechswüchegi Färli. Sie hegen dr Chläusli gnu, as es blüetet heg, as wie wemmä e groessi Sau gmetzget het. Jo, abgnaget hensne bis uf d’Chnoche, klepperet hegs, wenn er ummeglaufe sei.

In der Fasnachtszeit hatte Betheli alle Hände voll zu tun. Sie buk Fasnachts-Chüechli. Man brachte ihr die Zutaten: Eier, Mehl, Pferdefett und eine grosse viereckige Zeine, um darin die fertigen Chüechli nach Hause zu holen. Die Beiden verdienten mit ihren Arbeiten das Geld für den bescheidenen Lebensunterhalt.

Gewerbe in Grabs

 

Episode 3 – „Fuhrhalterei und andere Gewerbe in Grabs“: (aus „Erinnerungen an meine Jugend“ von Lina Mathis-Vetsch)

Nach der Sekundarschule lernte Lina Damenschneiderin. Nebenbei half sie zu Hause tüchtig mit. Überall wo ihre Hilfe nötig war, in der Küche oder im Service.

Auch Stephan Vetsch, Jahrgang 1879 aus Grabs, kehrte öfters im Rössli Sax ein. Er fand Gefallen an der fleissigen Lina. Die jungen Leute verliebten sich und heirateten.
In den ersten Jahren arbeitete der junge Ehemann bei seinem Bruder in der Sägerei und Mosterei sowie in der Landwirtschaft. Sein Wunsch war aber das Fuhrwerken.

Er bewarb sich bei der Konsumgenossenschaft Grabs für den Camionagebetrieb. Gemäss Schreiben vom 25. Februar 1910 wurde er auf den 1. März als Camioneur angestellt:

Zusage als Camioneur

Zusage als Camioneur

 

Im November gleichen Jahres konnte er die Liegenschaft im Oberdorf Grabs erwerben. Nun war sein Berufswunsch in Erfüllung gegangen und mit dem eigenen Haus und Stall der Grundstock gelegt für ein blühendes Geschäft. Mit Pferd und Wagen holte er am Bahnhof Buchs die Güter ab und brachte sie an die Bestimmungsorte. Der Konsumverein, Stickereien, Spinnereien, die Reisserei Vetsch an der Sporgasse waren ebenso Kunden wie die Schafwollspinnerei Sturzenegger im Vorderdorf. Auch für die Schuhfabrik waren Güter zu transportieren. Die fertigen Fabrikerzeugnisse wurden wiederum zum Verlad an den Bahnhof Buchs gebracht.

Fuhrmann Stephan Vetsch beim Bahnhof Buchs

Fuhrmann Stephan Vetsch beim Bahnhof Buchs

 

Die gute Schulbildung seiner Frau war von Vorteil. Sie schrieb mit ihrer schwungvollen Schrift mit Federhalter und Tinte die Frachtbriefe. Sie bediente auch das Telefon, einer der ersten Fernsprechapparate in Grabs. Er hing in der Nebenstube, gleich neben der Türe und hatte einen Holzgriff mit einer schwarzen Bakelitsprechmuschel.

Lina besass auch ein Velo, das mit einer Karbidlampe, einem Rücktritt und einer „Pneubremse“ ausgestattet war. Mit ihm war sie in kurzer Zeit vom Oberdorf bei den Geschäften im Dorf, um ihre Einkäufe zu tätigen. Die Bäckerei befand sich gleich über der Strasse. Dort holte sie bei Beck Leart das Brot. Und auf der „Rose“ (auch in nächster Nähe) gab es einen USEGO-Laden, wo die nötigsten Lebensmittel erhältlich waren. Das Fleisch kaufte sie in den Metzgereien „Zwifel Peter“, im Ochsen beim Toni Singer oder im Schäfli. Einen weiteren Spezereiladen war „s’Laager’s“, auch im Oberdorf.

Die Familie wuchs, auch die Fuhrhalterei wuchs und bald standen im Pferdestall bis zu sieben Pferde. Ein Knecht half bei der Arbeit mit. Als der älteste Sohn die Schuljahre beendet hatte, war er als junger Fuhrmann seinem Vater eine grosse Hilfe. Leider verunglückte er mit siebzehn Jahren tödlich.
Der jüngere Sohn half nun tüchtig in der Fuhrhalterei mit. Arbeit war für alle da, das Geschäft blühte, und für die Pferde musste auch Heu herbeigeschafft werden. Später wohnte er mit seiner Frau im Quader, wo sie einen kleinen Mercerie- und Stoffladen führte. So konnte sie etwas zum Zahltag ihres Mannes, der dann in der Schuhfabrik Martin arbeitete, dazu verdienen.

Die Tochter Katharina lernte nach der Schule den Beruf der Herrenschneiderin. Nebenbei verdiente sie sich einige Franken im Service, vor allem im Restaurant Löwen Grabs. Den Servierkurs besuchte sie in Buchs. Im April 1938 heiratete sie Florian Vetsch von der Grenze. Sie erwarben die Liegenschaft im Oberfeld, wo sie eine Landwirtschaft betrieben.

Im Jahre 1947 wurde der Fuhrhaltereibetrieb an Florian Lippuner im Feldgatter übergeben.

Begleitworte Artikelserie Grabs

In ihrer Jugend verbrachte Lina Mathis-Vetsch während vielen Jahren die Abende und Nächte bei ihrer Grossmutter in Grabs. An solchen Abenden erzählte die Grossmutter viel aus früheren Zeiten. Um diese Erinnerungen weitergeben zu können, hat Lina Mathis-Vetsch das Büchlein „Erinnerungen an meine Jugend“ geschrieben. Im Vorwort bemerkt sie: „In der heute hochtechnisierten Welt kann man sich ein Leben wie vor fünfzig oder hundert Jahren kaum mehr vorstellen“.

Mit Erlaubnis der Autorin dürfen wir hier auf Doazmol Auszüge aus dem Büchlein publizieren. Der interessante Text und das Fotomaterial wurde deshalb in Episoden unterteilt, wovon die ersten beiden in Sax handeln und die restlichen in Grabs.

Bei Interesse am Büchlein „Erinnerungen an meine Jugend“ können Sie sich über das Kontaktformular an die Autorin wenden, Ihr Mail wird weitergeleitet.