Das Dorf brennt
Episode 7 – „Brand in Rüti-Moos“: (aus „kurze Lebensbeschreibung und Jugenderinnerungen“ verfasst von Christian Tinner, geboren 1880)
Die folgenden Schuljahre gingen ihren Lauf. Ziegen hüten, Schule gehen, fädeln und seltener irgend eine andere Arbeit. Im Jahre 1890 musste ich jede Woche nach Sennwald zu nahen Verwandten als Fädlerbub gehen und auch „Kindsmagd“ sein. Die Frau war die jüngste Schwester meiner Mutter; sie und ihr Mann hatten viel bösen Streit.
Am Eidg. Bettag 1890 brannte bei heftigem Föhn Rüti-Moos. Als ich dann am Montag nach Sennwald kam, sagte die Tante: „Soa, du chast jez gaad of Rüti ei go dr Frei sueche, er ist am Samstig of Altsteta ei go dr Zahltag hola und ist äll no nöd haa cho. Jez wird’r woll z’Rüti un sii und s’Geld versoffa ha, de Glünggi.“
Ich war barfuss und nur mit Hose und Hemd bekleidet. Das ganze Dorf Rüti lag in dickem Rauch und grossem Unglück. Wenige Meter von verbrannten Häusern sah ich jammernde Frauen mit ihren Kindern in Wiesen unter Bäumen.
Bei den Feuerwehren sah ich auch meinen Vater mit rauchverröteten Augen und ermüdet; sie hatten am Bettag die ganze Nacht und auch noch den langen Morgen gearbeitet.
Den Vetter Frei aber fand ich nicht.
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