Das Hochwasser im Jahr 1868

(Quelle: SAC Jahrbuch 5 1868, Ingenieur von Salis)

Die zweite Hälfte Septembers und der Anfang Oktobers waren Zeugen anhaltenden Regens und grosser Wasserverheerungen, namentlich im Einzugsgebiete des Vorder-und Hinter-Rheins und des Rheins im Allgemeinen bis an den Bodensee. …

Mit dem 13. September begann die Regenperiode und es hat diesseits der Alpen bis zum 26. gleichen Monats mit vielen Unterbrechungen geregnet, so dass die Zuflüsse des Rheins bis dahin keine bedeutenden Anschwellungen zeigten. …

Am 26. und vorzüglich am 27. Sept. öffneten sich die Schleusen des Himmels und gossen unaufhaltsam in strömendem Regen, an einigen Orten von Hagel und gewitterhaften Erscheinungen begleitet, unglaubliche Wassermassen auch über das Rheingebiet aus. Vom 1. bis 4. Oktober wiederholten sich sehr ausgiebige Niederschläge, theils für die gleichen, theils für neue Gebietstheile des Rheins. …

Unterwerfen wir das Thalgefälle von Reichenau ab einer näheren Untersuchung, so fällt uns hier der plötzliche Wechsel auf. Die beiden mit 0.5 und 0.45% bei Reichenau einfallenden Rheinarme vom Oberland und Hinterrhein werden nach ihrer Vereinigung in ihrem Gefälle beinahe um die Hälfte reducirt und beträgt dasselbe von da ab bis Ems nur 0,26%.

Die grosse Wassermasse bei der verhältnissmässig geringen Geschiebsmenge und vorzüglich die eingeengte Lage des Flusses bis gegen Ems, haben auf dieser Sektion eine Austiefung zu Stande gebracht, die nicht mehr normal ist, indem von Ems ab bis an die St. Galler-Lichtensteiner-Grenze, das Gefälle auf 3 % steigt und erst von dort weg dasselbe eine succesive Verflachung nachweist, die in der untersten Sektion von Rheineck bis zum Bodensee nur mehr 0.016% beträgt. Dieses muss bei hohem Seewasserstand noch schwächer werden, und erreichte im Jahr 1817 den Werth 0, da damals der Seewasserspiegel bis Rheineck, ja bis über Gaiss an hinauf sich ausdehnte. …

Fragt man, woher bei dem letzten Hochwasser die meisten Geschiebe ihren Ursrprung hatten, so geben wir darauf folgende Antwort.

… vorzüglich aber die Nolla bei Thusis. Diese wälzte in der Nacht vom 27./28. Sept. 1868 dem Rheine zu wiederholten Malen Schuttwalzen zu, die denselben, trotz seiner Wassermächtigkeit, vollständig durchschnitten und ihn bei der neuen Rheinbrücke daselbst auf 9 Meter Höhe stauten. An der Brücke über die Nolla selbst, von 20 m lichter Oeffnung hinterliess dieselbe zur Zeit der stärksten Murgänge ihre schwarzen Spuren volle 9 m über der Bachsohle. Es übertrifft alle Vorstellungen, welche Massen fester Bestandtheile, in Form von Stein, Schutt und Schlamm die Nolla während der letzten Regenperiode, ja bis in den Monat Januar 1869 hinein dem Rheine zugeführt hat, und wäre eine nur theilweise Verstopfung dieser Geschiebsquelle für die Rheincorrection und das anliegende Land von Thusis bis an den Bodensee von der grössten Wichtigkeit.
Es ist einzig und allein der kleinen, dick-schwarzen Nolla zu verdanken, dass der von Schams herkommende klare Hinterrhein und mit ihm die Albula und der Vorderrhein schwarz gefärbt werden und diese schwarze Trübung heute noch, Mitte Januar, bis in das st. gallische Rheinthal hinab an dem schwarzen, graphithaltig glänzenden Schlamme auffallend kenntlich ist. Auch die Landquart und die Tamina führten nicht unbedeutende Geschiebsmassen. …

Die nennenswerthesten Dammbrüche mit Bodenbeschädigungen fanden statt bei Surrhein, Vals-Platz, Rothenbrunnen, Haldenstein und Fläsch, ferner im Kanton St. Gallen bei Ragatz, Burgerau, Buchs, Salez, Oberried, Montlingen. Im Rheinthal fanden 9 Personen in den Hochfluthen den Tod. …

… wie drückend die langsam verlaufenden, hohe Lettschichten zurücklassenden und viele Vorratskammern einfallenden Wassermassen im St. Gallischen Rheinthal auf der Bevölkerung lagern …


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