Lokalpatriotismus

 

Episode 6 – „Örtligeischt“: (aus „kurze Lebensbeschreibung und Jugend-erinnerungen“ verfasst von Christian Tinner, geboren 1880)

Es kam leider im Dörfchen der „Örtligeist“ öfters zur Geltung und damit eine gewisse Verachtung.

Das geschah von einem Teil der Mitklässler gegen mich, weil ich eben „nur“ ein Frümsner war und weil ich die Rechnung (siehe Episode 3) richtig und zuerst gelöst hatte. Da wurde ich oft auf dem Heimweg von einer ganzen Rotte umzingelt, gepufft und mit Schimpfnamen beladen.

Als aber ein Mädchen mich herumriss, stellte ich mich mit dem Lineal zur Wehr und traf sie gerade in einen Schranz in der Schürze, der sich dann bis zuunterst verlängerte. Ihr Vater war aber Schulrat und kam am folgenden Tag während der Pause auf den Spielplatz. Ich sah ihn kommen. Ich überlegte rasch; wenn ich fliehe, erwischt er mich ein anderes Mal, ich sag’s lieber rasch dem Lehrer was los ist. Dieser hiess mich: „Bleb da!“ Der Schulrat kam her und wollte mich packen. Der Lehrer stand aber vor mich hin und fragte: „Herr Schulrat, was wollen sie hier?“ „Ebe dem chaibe Schnodere emol e par an Grind ai geh“. Lehrer: „Herr Schuelrot, do hond sie nünt z’toa, im Schuelhus und uf em Spielplatz bin i zueständig und sos niemert. Wenn si meined, si sigid im Recht, muessme das amene andere Ort usmache“.
Damit war die Sache erledigt und meine Liebe zum Lehrer voll.

Wie wäre es doch schön auf der Welt, wenn überall Gerechtigkeit und Schutz vor Gewalt zur Geltung käme. So wurde nun auch der Gang zur Schule für mich erleichtert: Der Lehrer warnte vor weiteren Plagereien und drohte dabei mit dem Lineal.


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